Tief berührende Vorstellung
(von Gernot Kühl)
Die emotionale Darbietung „Anne! – damit wir klug werden“ in der Nicolaikirche am 7. Februar (siehe auch Bericht auf Seite 9) ergriff mich zutiefst. Ich fragte mich, wie ist es möglich, dass heutige Menschen, die überwiegend vom Materialismus geprägt werden, eine Darbietung in solcher Demut und Sensibilität aufzeigen können. Circa 20 Blechbläser, 40 Chorsänger, zwei Schlagzeuger – alle in Schwarz gekleidet –, folgten aufmerksam dem mit großem Feingefühl begabten Dirigenten Knut Petscheleit.
Doch bevor die Darbietung begann, marschierten die Mitwirkenden im gleichmäßigen SS-Schritt in das Kirchenschiff und auf die Bühne. Danach folgte die Sprecherin der „Anne“, Kim von Hein, und die Altistin Christine Mühler, die die Zwischentexte und den Schlusspart laut und deutlich sprach. „Anne“ las aus dem von ihrem Vater später veröffentlichten Tagebuch so treffend in Stimme und Mimik, dass wir Zuhörer uns ganz in die jeweilige Situation versetzen konnten. Diese 15-jährige Gymnasiastin brachte uns so klar die Not, Angst und mitunter auch die Hoffnung der sensiblen „Anne“ zu Gehör. Dazu erschienen auf zwei Leinwänden Sprüche sowie Bilder aus der damaligen Notzeit. Für Juden wurde alles verboten, was das Leben lebenswert macht „Vor Jood verboten!“
Freunde der Familie Frank besorgten ein geheimnisvolles Versteck in einem Hinterhaus, wo sie bis 1944 vor dem Zugriff der Schreckensmacht bewahrt blieben. Anne: „Ich habe hier das Gefühl wie ein Singvogel, dem die Flügel ausgerissen worden sind und der in vollkommener Dunkelheit gegen die Stäbe eines engen Käfigs fliegt.“ Die leise Hoffnung drückt Anne so aus: „Wenn ich zum Himmel schaue, denke ich, dass dieses alles wieder einmal gut wird und wir nicht nur Juden, sondern auch Menschen sind.“
Die Familie Frank wurde dann entdeckt, getrennt und abtransportiert. Durch schwere Misshandlungen sowie Entbehrungen erkrankte Anne schwer, so dass sie am 20. Dezember 1944 im Konzentrationslager Neuengamme verstarb.
Der Vater, der eine Tiefe Gefühlsbindung zu seiner Tochter hatte, veröffentlichte danach ihr umfangreiches Tagebuch. So blieben diese Mitteilungen für uns als Mahnung vor Menschen-missachtenden Taten erhalten.
Link zum Kommentar der Eckernförder Zeitung